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von markus 06.12.2007 21:54


gefragt war im derzeitigen getümmel des suppenkomitees eine antiphilosophische darstellung des zwecks des projekts, und zwar anhand der fragen:
- „was bringt das projekt?“
- „wozu wird es gemacht?“
- „wer bekommt die sponsorgelder?“

fast eine provokation, aber sicher eine herausforderung für freidenker, philosophen und künstler, die sich plötzlich in der liga der projektmacher dem zwang zum banalen wettbewerb um die schnöde kohle gegenüber gestellt sehen.

ohne in dieser angelegenheit ernsthaft dienlich sein zu können, reizt mich die fragestellung dennoch zum versuch einer möglichen beantwortung.

die erste frage - was bringt das projekt – ist eine leichte frage. ein suppe. das projekt bringt ein suppe. das ziel ist eine suppe. der output ist eine suppe.

allerdings ist diese suppe eine besondere. sie ist dazu geeignet, philosophische ideen, die den denkenden teil der menschheit seit jahrtausenden delektieren, suppenförmig darzustellen und damit endlich für jedermann als simple taktil/olfaktorische nervenreizung bekömmlich zu machen. womit sich auch die eindeutig antiphilosophische und materialistische qualität der jahressuppe zeigt.

eine dieser sog. philosophischen ideen, welcher durch das projekt zu halbflüssiger konsistenz verholfen wird, ist die idee der zyklizität, rekursivität oder selbstreferenz. dabei handelt es sich aber nicht um eine ausschliesslich philosophische idee. findet man doch den ouroboros (altgriech. οὐροβóρος „schwanzfresser“) in vielen alten religionen und kulturen als sinnbild dieser idee.
aber auch in der „realen welt“ der märkte und prekären künste wird diesen begriffen zunehmend bedeutung zugemessen. systemisch gebildete manager erklären betriebe zu selbstorganisierenden systemen und sogar das geld wird aus krediten rekursiv neu erschaffen, was zu der enormen verdünnung des geldwerts führt, die wir gerade erleben.

die jahressupppe zeigt uns: man kann, was man aus dem suppentopf weggegessen hat, nicht nur mit wasser auffüllen. die suppe wird mit immer frischen zutaten, frischem gemüse und frischen gewürzen jeden tag von neuem gekocht, und sie enthält zudem alle ingredienzien vergangener suppen. sie wird dadurch zu einem vergangenheitsabhängigen aber nicht vorhersehbaren system, so wie die börse, das wetter, ein automobil oder unser aller leben. die jahressuppe als sinnbild des lebens?

aber bleiben wir antiphilosophisch. betrachten nur die natürlichen und artefaktischen lebensbereiche, in denen zyklisch-rekursive prozesse systeme erhalten, funktionieren lassen oder im fall einer störung dieser prozesse systeme eben nicht funtionieren und zugrundegehen: ökosysteme und ökonomien, lebewesen, kaufhäuser, pfandverleiher, sonnensysteme und universen.
das ist der mechanismus wie wir atmen, stoffwechseln, arbeiten und denken - dass ich weiss, dass ich gerade lese, was ich gerade geschrieben habe, ist ein paradebeispiel selbstreferenzieller phänomene höheren grades.

ein suppenesser möge sich doch einmal vorstellen, dass – wenn die menschheit in ein paar millionen jahren noch suppe essen sollte – sich moleküle seiner dann gründlich kompostierten körperlichen reststoffe mit hoher wahrscheinlichkeit in der einen oder anderen suppe wiederfinden werden.

„wozu wird es gemacht?“ ist die bei weitem kompliziertere frage. die erste frage war einfach mit „suppe“ zu beantworten. die zweite frage genauso einfach mit „zum essen“ zu beantworten, fürchte ich, wäre zu schnell geschossen.
während die erste frage eindeutig auf ein substantiv abzielt, fällt auf, dass diese frage ein verb als antwort impliziert, ein tunwort statt einem hauptwort. verben beschreiben handlungen, handlungen beschreiben veränderungen an den durch hauptwörter beschriebenen objekten entlang der zeitspur, was die sache etwas verkompliziert.

aber bleiben wir antiphilosophisch: wozu kocht man eine suppe? um sie zu essen. da wir es hier aber mit einer besonderen suppe zu tun haben, ist noch mehr zu bedenken. wozu kochen 366 menschen eine suppe auf einer zeitspur? nur zum essen wäre es weit einfacher, wenn täglich jeder sein eigenes süppchen kocht, verzehrt, verdaut, usw, wie es in der internationalen staatengemeinschaft üblich ist.

offensichtlich haben diese 366 menschen einen gemeinsamen plan. sie bekommen suppe, kochen damit mehr suppe, essen suppe und geben suppe. sie tauschen bilder ihrer suppenrealität aus und schaffen so wieder diesen zyklischen prozess, der nicht nur die suppe in gang hält, sondern für alle die basis erfolgreichen überlebens ist: nehmen, kochen, essen, geben – ein selbstregulierender kreislauf, die jahressuppe als modell eines selbstorganisierenden systems. damit kann man die frage „wozu wird es gemacht“ auch schon beantworten: „um die suppe am kochen zu halten und damit gemeinsam zu überleben“.

die dritte frage ist wieder eine leichte: das sponsorengeld bekommt die wirtschaft, die im gegenzug die mittel liefert, die zur durchführung benötigt werden. das geld fliesst in den kreislauf der wirtschaft zurück, durch das geflecht aus transportunternehmen, gemüsehändlern, internetprovidern, druckereien, supermarktketten bis zu den banken.

soweit mein versuch einer antiphilosophischen darstellung.
auch wenn meine ausführungen zugegebener massen nicht immer kurz und griffig ausgefallen sind, und deshalb als verkaufsargumente im telefonmarketing wenig geeignet sein dürften, sind sie vom bemühen getragen, das interesse des modernen, in kreisläufen denkenden, prozessorientierten und vom kundennutzen getriebenen wirtschaftstreibenden in adäquater form zu wecken.

mit besten grüssen ;)
markus
antwort von walter 09.12.2007 17:16
eine sehr schöne und philosophische darstellung des was und des wozu. dass sich die schlange in den schwanz beißt, merkt man deutlich an der frage des philosophischen oder unphilosophischen zugangs zum jahressuppenprojekt. es scheint mir nämlich gar nicht so leicht zu sein, das projekt unphilosophisch zu betrachten. das einfache suppe kochen und essen und weitergeben erscheint ja nur deshalb als einfach, weil es von anfang an in einem nicht einfachen zusammenhang auftaucht. es würde kaum jemanden in den sinn kommen, über das suppekochen und -essen zu reden, wenn nicht schon eine über das suppenkochen hinausreichende perspektive ins auge gefaßt worden wäre. umgekehrt wäre eine philosophische reflexion sinnlos, bezöge sie sich nicht auf etwas vertrautes aus unserer alltäglichen wahrnehmung. die sich selbst verschlingende schlange ist eine metapher auch für das verhältnis zwischen gesundem hausverstand und philosophischem nachdenken, wovon manche meinen, das eine hätte nichts mit dem anderen zu tun.
antwort von hubert 25.12.2007 20:38
wenn wer diese suppe isst ist er wie die suppe ist wenn wer diese suppe isst die wie diese suppe ist wenn er diese suppe isst die wie diese suppe ist wenn wer diese suppe isst ist er wie die suppe ist wenn wer diese suppe isst die wie diese suppe ist wenn er diese suppe isst die wie diese suppe ist wenn wer diese suppe isst ist er wie die suppe ist wenn wer diese suppe isst die wie diese suppe ist wenn er diese suppe isst die wie diese suppe ist wenn wer diese suppe isst ist er wie die suppe ist wenn wer diese suppe isst die wie diese suppe ist wenn er diese suppe isst die wie diese suppe ist wenn wer diese suppe isst ist er wie die suppe ist wenn wer diese suppe isst die wie diese suppe ist wenn er diese suppe isst die wie diese suppe ist wenn wer diese suppe isst ist er wie die suppe ist wenn wer diese suppe isst die wie diese suppe ist wenn er diese suppe isst die wie diese suppe ist wenn wer diese suppe isst
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